«Die konfliktfreie Nutzung von E-Trottis hat nur Zukunft, wenn zuerst die Parksituation geklärt ist»
2022 hat Wetzikon ein rund achtmonatiges Pilotprojekt mit zwei E-Trottinett-Anbietern durchgeführt. Über 7‘000 Personen haben in diesem Zeitraum die 250 E-Trottinetts genutzt. Was dieses Projekt zum Ziel hatte und weshalb die E-Trottinetts wieder aus Wetzikon verschwunden sind, erklärt Stadtentwickler Roman Zwicky im Interview.
Herr Zwicky, was waren die Gründe für den Pilotversuch «E-Trottinett»?
Die Stadt Wetzikon wollte damit Erkenntnisse gewinnen. Darüber, ob ein solches Angebot einem Bedürfnis in der Bevölkerung entspricht und wie, wo bzw. von wem es tatsächlich genutzt wird. Zudem wollten wir damit herausfinden, ob das Angebot zu einer Veränderung des Mobilitätsverhaltens führt und welche Herausforderungen bzw. Probleme sich daraus ergeben.
Wieso hat die Stadt Wetzikon den Versuch nach acht Monaten abgebrochen?
Der Versuch war bewusst bis Ende 2022 befristet. Anschliessend wurde eine Übergangsphase bis Ende Februar 2023 genehmigt, um die gewonnenen Erkenntnisse auszuwerten. Ich würde daher nicht von «abbrechen» sprechen. Es war von Anfang an klar, dass auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse entschieden wird, wie es weitergeht. Hauptgrund für die Nicht-Weiterführung war sicher die unbefriedigende Parksituation. Über den Stadtmelder WetziMelder sind knapp 80 vorwiegend negative Meldungen eingegangen, zudem um die 50 Meldungen über andere Kanäle. Die Parksituation wurde auch von jüngeren Nutzenden kritisch beurteilt.
«Die Parksituation wurde auch von jüngeren Nutzenden kritisch beurteilt.»
Bei der jüngeren Bevölkerung ist das Pilotprojekt gut angekommen, während mit zunehmendem Alter die Meinung dazu negativ ausfiel. Nun haben Sie im Sinne der älteren Bevölkerung entschieden. Wäre es nicht wichtig, dass gerade die Jungen ein solches Angebot erhalten?
Darüber, wie wichtig ein solches Angebot für die Jungen ist, kann man diskutieren. Ich frage mich hier vor allem, wer von den Jungen sich ein entsprechendes Angebot überhaupt leisten kann. Die Nutzung der E-Trottis ist verhältnismässig teuer. Der öffentliche Verkehr ist im Vergleich dazu um einiges günstiger. Problematisch kann ein E-Trotti-Angebot auch mit Blick auf die Gesundheit bzw. Gesundheitsförderung sein. Kurze Strecken zu Fuss oder mit dem Velo zurückzulegen, ist da wohl deutlich gesünder. Aber ich gebe Ihnen Recht, dass die Jungen eher zu den Nutzenden eines solchen Angebots zählen würden. Das zeigen auch unsere Auswertungen. Der Entscheid, nicht in einen definitiven Betrieb überzugehen, ist aber kein Entscheid für oder gegen eine bestimmte Altersgruppe.
«Die Nutzung der E-Trottis ist verhältnismässig teuer. Der öffentliche Verkehr ist im Vergleich dazu um einiges günstiger.»
Das Trottinett-Angebot wurde vor allem bei den Bahnhöfen Wetzikon und Kempten, sowie im Zentrum von Oberwetzikon gut genutzt. Planen Sie hier alternative Angebote wie beispielsweise E-Bikes zum Ausleihen?
Im Moment ist von Seiten der Stadt nichts in diese Richtung geplant. Unsere Online-Befragung zeigt, dass Personen, die keine E-Trottinette nutzen, am ehesten Velo als Leihfahrzeuge wünschen. Nutzende wünschten sich hingegen auch in Zukunft E-Trottinette oder E-Bikes in Wetzikon. Ich denke, man müsste aber sowieso zuerst um diese Hotspots herum ausreichend Flächen für die Parkierung schaffen, bevor ein alternatives Mikromobilitätsangebot überhaupt zum Thema wird. Die Auswertungen, die von den Anbietern von gemeinsam genutzten E-Trottinetten zur Verfügung gestellt wurden, zeigen, dass es in der Stadt Wetzikon vergleichsweise wenige vordefinierte Parkzonen gibt.
Wenn es zur Parksituation bessere Regelungen gäbe, würden Sie den Verleih von E-Trottinetts wieder in Betracht ziehen?
Es geht hier nicht unbedingt um Regelungen. Man müsste an diversen Stellschrauben drehen. Beispielsweise hat sich die Stadt bewusst dazu entschieden, mit mehreren Anbietern in eine Pilotphase zu gehen. Vielleicht ist die Stadt Wetzikon aber zu klein für mehrere Anbieter und der Koordinationsaufwand erhöht sich dadurch erheblich. Letztlich ist es aber ein politischer Entscheid, unter welchen Voraussetzungen ein E-Trotti-Verleih wieder zum Thema werden könnte.
Wetzikon wird auch als Autostadt bezeichnet. E-Trottinetts hätten einen Teil dazu beigetragen, den Verkehr zu verlagern. Haben Sie hier andere Ansätze geplant?
Unsere Daten zur Veränderung des Nutzungsverhaltens aufgrund des E-Trottinett-Angebots zeigen ein unklares Muster. Die Nutzung von Bus/Auto oder der Gang zu Fuss haben gemäss Selbstangabe aufgrund des Angebots abgenommen. Es findet also auch eine Verlagerung weg vom öffentlichen Verkehr statt, was meines Erachtens nicht das Ziel eines entsprechenden Angebots sein kann.
Sind die Ergebnisse des Versuches auch auf andere Gemeinden übertragbar? Was raten Sie anderen Gemeinden, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen?
Ich denke schon, dass man einige Ergebnisse auf andere mittelgrosse Städte übertragen kann. Entscheidend ist sicher, dass eine Flottengrösse gewählt wird, die in einem angemessenen Verhältnis zur städtischen Infrastruktur steht. Die 250 E-Trottinette von beiden Anbietern für die Pilotphase in Wetzikon waren rückblickend wohl zu viele. Zudem sind wie bereits erwähnt ausreichend Flächen für die Parkierung vorzusehen und im Idealfall sollten diese nicht nur in der App der Anbieter sondern auch gleich physisch ersichtlich sein mit Bodenmarkierung, Beschilderung oder ähnlichem.
Was wünschen Sie sich von der Politik und von den Sharing-Anbietern?
Von der Politik wünsche ich mir den Mut und die Offenheit, weiterhin Projekte zu ermöglichen, mit denen sich Erkenntnisse gewinnen lassen. Testen, ausprobieren und für die Zukunft aus den Erfahrungen lernen. Von den Sharing-Anbietern wünsche ich mir vor allem, dass die Kommunikation gegenüber privaten Grundeigentümern in den Städten verbessert wird. Sie sind häufig direkt betroffen von falsch abgestellten E-Trottis. Mit einer aktiveren Information liessen sich meines Erachtens gewisse Widerstände in der Bevölkerung beseitigen.
Über den Interviewpartner
Roman Zwicky ist seit 2021 Stadtentwickler bei der Stadt Wetzikon. Die Funktion ist im Ressort Präsidiales, Entwicklung + Kultur angesiedelt. Zu den Themenschwerpunkten gehören Partizipation, Quartierentwicklung, Vernetzung und Begleitung von Projekten sowie die Grundlagenerarbeitung, in deren Rahmen das Pilotprojekt Mikromobilität durchgeführt wurde.